‼ Gesundheitsämter: Kinder sollen getrennt vom Rest der Familie isoliert werden

Lesezeit: 4 Minuten

Nach Informationen von nw.de, der Online-Ausgabe der in Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) erscheinenden Tageszeitung „Neue Westfälische“ fordern in Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg die Gesundheitsämter Eltern dazu auf, ihre Kinder in einem Raum getrennt vom Rest der Familie zu isolieren, wenn ein Corona-Verdacht besteht.

Zudem drohen die Behörden bei Zuwiderhandlung mit Unterbringung des Kindes in einer geschlossenen Einrichtung, so nw.de im Artikel vom 06.08.2020.

Hirngespinnste von Verschwörungstheoretikern?

Laut nw.de, seien mehrere solcher Fälle bekannt, zum Beispiel aus dem Kreis Offenbach: Aufgrund eines positiven Coronatests eines Kindes in einer Kita der Stadt Dreieich musste die Einrichtung am 21.07.2020 geschlossen werden. Das Gesundheitsamt des Kreises bewertet anschließend insgesamt 60 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren und Erzieher als enge Kontaktpersonen und verordnet ihnen häusliche Quarantäne, so nw.de. Die Eltern der betroffenen Kinder erhalten daraufhin eine Anordnung der Stadt Dreieich, die nw.de vorliegt. Darin heißt es:

„Ihr Kind muss im Haushalt Kontakte zu anderen Haushaltsmitgliedern vermeiden, indem Sie für zeitliche und räumliche Trennung sorgen. Keine gemeinsamen Mahlzeiten. Ihr Kind sollte sich möglichst allein in einem Raum getrennt von anderen Haushaltsmitgliedern aufhalten.“ Ist ein Kontakt zu Familienmitgliedern unumgänglich, „ist ein Mund-Nase-Schutz eng anliegend zu tragen“.

„Allein in einem Raum“ ❓ – Die Drohung folgt auf dem Fuße

Abschließend folgt in dem Schreiben die Erklärung: „Sollten Sie die Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nachkommen oder ist aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens anzunehmen, dass Sie der Anordnung nicht ausreichend Folge leisten, ist eine abgeschlossene Absonderung aufgrund des Bevölkerungsschutzes in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung erforderlich.“ Bedeutet: Befolgen Eltern die Anordnung nicht, droht die Herausnahme des Kindes aus der Familie, so die Bewertung von nw.de.

Fast wortgleich argumentiert die Stadt Bruchsal im Kreis Karlsruhe in Baden-Württemberg, dessen Anordnung nw.de ebenfalls vorliegt. Dort mussten 46 Viertklässler in Quarantäne, weil eine Lehrerin positiv auf das Coronavirus getestet wurde. In dem fünfseitigen Schreiben an die Eltern der betroffenen Kinder im Alter zwischen neun und elf Jahren verweist die Behörde ebenfalls explizit auf die Trennung des Kindes vom Rest der Familie mit dem Verweis auf keine gemeinsamen Mahlzeiten sowie die Möglichkeit der Herausnahme des Kindes aus der Familie.

Hier finden Sie die Stellungnahme des Kreises Offenbach bezugnehmend auf die Quarantäneverfügungen anlässlich eines bestägtigten COVID-19-Falls in der Kita Schulstraße in Dreieich.

Scharfe Kritik vom Kinderschutzbund

Der Kinderschutzbund kritisiert das Vorgehen der Behörden scharf. „Die Situation der Quarantäne ist für Familien, insbesondere für Kinder ohnehin sehr belastend. Kinder in dieser Phase von ihren Eltern und Geschwistern zu isolieren, ist eine Form psychischer Gewalt. Der Kinderschutzbund empfindet diese Maßnahmen als unverhältnismäßig und nicht hinnehmbar“, sagt Präsident Heinz Hilgers gegenüber nw.de. Insbesondere die Drohung mit dem „scharfen Schwert der Herausnahme und Unterbringung auf einer Isolierstation“, verunsichere Familien nachhaltig.

Was sagt der Kinderarzt?

Der Bielefelder Kinderarzt Marcus Heidemann bezeichnet im Interview mit nw.de die Drohung der Herausnahme eines Kindes aus der Familie als schwachsinnig. „Wo soll das Kind denn untergebracht werden? Im Kinderheim?“.

„Sollten sich Kinder infiziert haben oder unter Corona-Verdacht stehen, ist es sinnvoll, dass ein Elternteil mit in die Quarantäne geht.“. Familien sollten sich laut Heidemann in solchen Fällen überlegen, wie sich der Kontakt zum Rest der Familie, insbesondere zu Risikogruppen wie den Großeltern, möglichst reduzieren lässt. „In einem großen Haus lässt sich das leicht regeln, in einer kleinen Wohnung jedoch nicht. Daher muss jede Familie individuell prüfen, wie realistisch eine Umsetzung der Anordnungen überhaupt ist.“, so der Facharzt gegenüber nw.de.

Alles halb so wild? Die Gesundheitsämter rudern zurück

Bislang sei kein Fall bekannt, indem Gesundheitsämter die Isolation von Kindern angeordnet oder mit der Herausnahme des Kindes aus der Familie gedroht haben, so nw.de. Im Kreis Herford gelte: „Grundsätzlich droht das Kreis-Gesundheitsamt nie damit, infizierte Kinder von der Familie zu trennen. Es wird genau geschaut, wie alt das jeweilige Kind ist und wie sich die familiären Begebenheiten darstellen, um eine bestmögliche Lösung zu finden. Das alles geschieht unter der Prämisse, dass Kinder nicht alleine isoliert werden sollten“, erklärt die Leiterin des Gesundheitsamtes, Marie-Luise Kluger. „Bisher ist es im Kreis Herford immer so gewesen, dass bei einem positiv getesteten Kind auch immer mindestens ein Elternteil infiziert war. Insofern wurde nie ein Kind von der übrigen Familie isoliert.“

Im Kreis Minden-Lübbecke ist das Vorgehen ähnlich: „Das Gesundheitsamt empfiehlt, das Kind gemeinsam mit einer Betreuungsperson zu isolieren. Die Familie ist in der Regel als Kontaktperson ersten Grades ohnehin in Quarantäne“, sagt Sprecherin Janine Küchhold. Der Kreis Lippe verweist zudem auf die Betreuungspflicht von Kindern bis 14 Jahre, die auch bei Quarantäne weiter gilt. „Wenn wir ein Kind in Quarantäne setzen, sprechen wir mit den Eltern, um Lösungen zu suchen“, erklärt eine Sprecherin gegenüber nw.de. Es werde etwa geklärt, ob sich ein Elternteil, beide oder auch eventuelle Geschwister isolierten.


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